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«Auf was es ankommt, ist die Haltung»: Die Agentur im Zeitalter der Automatisierung.


Die Kommunikation verändert sich durch die zunehmende Automatisierung. Prof. Dr. Fleck beschäftigt sich mit den Zukunftsaussichten der Branche.
Vielleicht ist eine Zukunft mit Robotermenschen und Klonen, wie sie vom Film Blade Runner aus dem Jahr 1982 gezeichnet wird, übertrieben. Tatsächlich lassen sich davon aber einige Aspekte ableiten, die bereits heute auf der Ebene unseres Mediensystems gelten. Dadurch dürfte sich in den kommenden Jahren die Arbeit von Medien-schaffenden, aber auch von Kommunikationsagenturen verändern. Im Rahmen des Weiterbildungstags von Communicators Anfang Juni stellte Herr Prof. Dr. Matthes Fleck seine Forschung zum Thema "Agenturen im Zeitalter der Automatisierung" vor. Die Kombination der Begriffe Kommunikationsarbeit und Automatisierung endet oft in Befürchtungen des Arbeitsverlusts: Braucht es in Zukunft überhaupt noch Agenturen, wenn sich doch die gesamte Kommunikation automatisiert? Und was beinhaltet diese Automatisierung?

Drei Ebenen der Automatisierung
Im Kommunikationsbereich lässt sich das Phänomen gut in drei Ebenen gliedern. Erstens lassen sich geistige Güter wie Text, Bild und Ton heute von Computern erstellen. Die Möglichkeiten sind noch begrenzt, werden aber immer umfassender. Bereits heute können beispielsweise Daten über Feinstaubmessungen anhand von Regelsystemen in einfache Texte übersetzt werden.
Die zweite Ebene betrifft die Datensammlung und Auswertung. Aufgrund von Verhaltensmustern, die im Internet gesammelt werden, erhält eine begeisterte Velofahrerin andere Werbung angezeigt als ein Hundeliebhaber. Es ist damit zu rechnen, dass auf dritter Ebene in Zukunft die gesamte Kommunikation von Anfang bis Ende automatisiert sein wird. Am besten lässt sich dies mit einem Beispiel veranschaulichen. Braucht Herr Meier einen neuen Haarschnitt, überprüft eine Software in seinem Kalender die Verfügbarkeit des bevorzugten Coiffeurs, bucht entsprechend einen Termin, berechnet die Fahrzeit anhand von Verkehrsdaten und bestellt zum richtigen Zeitpunkt ein Taxi. Teile dieser vollautomatisierten Kommunikation sind bereits Realität.

Was verändert sich?
Ausgehend von solchen Zukunftsaussichten ist ein Wandel der Kommunikationstätigkeit zu erwarten. "Ich denke, dass die Datenauswertung immer mehr an Bedeutung gewinnen wird." Das reine "Machen" von Kommunikation, wie Newsgenerierung und andere redaktionelle Tätigkeiten, dürfte demgegenüber keine Haupttätigkeit einer Agentur mehr darstellen. In Zukunft wird sie vermehrt grosse Datensätze mittels Regelsystemen in Text und Aktionen umwandeln, um das Zielpublikum zu erreichen. Die Herausforderung wird es dann sein, diese Datensammlungen geschickt für Sponsoring, Information, Werbung oder Marketing einzusetzen. Auch in der computergestützten Erweiterung oder Veränderung von Texten (im Fachjargon als Augmentation bezeichnet) lässt sich eine Automatisierungstendenz beobachten. Was beispielsweise Übersetzungstools wie Deepl bereits heute leisten, liesse sich weiterentwickeln, indem bestimmte Formulierungsarten spezifisch auf Stakeholder angepasst werden könnten. Dem Redakteur würden in einem solchen Szenario je nach Mandat diese oder jene Textbausteine vorgeschlagen werden.

Zuerst braucht es Haltung
Vieles davon liegt noch in zu grosser Ferne - aber es wird kommen. Fleck rät daher, die aktuellen Dynamiken aufmerksam zu beobachten. "Es wird darum gehen, eine Haltung zu entwickeln, bevor der Algorithmus bereitsteht." Die Grundsatzfrage lautet dabei: Bei welchen Arbeiten lohnt es sich, dass sie nach wie vor durch einen Menschen durchgeführt werden und bei welchen nicht. Müssen wir uns vor dieser Frage davor fürchten? Sind wir nicht eher froh, dass wir nicht selbst jeden Tag aufs Neue 2000 Berichte über Feinstaubwerte schreiben müssen? Als Menschen werden wir uns mehr auf Aufgaben konzentrieren, die Kreativität und Originalität erfordern - alles Repetitive werden wir den Maschinen, Algorithmen und Robotern überlassen. Wie sich Agenturen gegenüber diesen Entwicklungen verhalten, dürfte deren Erfolg in Zukunft massgeblich beeinflussen.

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Prof. Dr. Matthes Fleck ist Professor für Publizistik und Betriebswirtschaftslehre an der Lucerne University of Applied Sciences and Arts mit Schwerpunkt für Digitale Geschäftsmodelle und Online Kommunikation. 2019 übernahm er zudem die Leitung des Instituts für Kommunikation und Marketing in Luzern. Zurzeit arbeitet er an der Studie "Media- und Werbeagenturen heute und in der Zukunft - Eine Studie aus Kundensicht".
Veröffentlicht am 18. Oktober 2019 von Maurice Desiderato
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