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Die Gegenwart ist digital


Die Stimmabgabe in der Schweiz ist noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen. Warum passen wir sie nicht unseren Lebensgewohnheiten an?

Wir arbeiten elektronisch, kaufen per Smartphone ein, erledigen Geldgeschäfte mit E-Banking, tauschen uns in Sozialen Netzwerken aus, abonnieren Zeitungen in Apps, lesen Bücher auf dem E-Reader, fotografieren digital ... die Liste liesse sich noch lange erweitern. Weshalb wählen und stimmen wir nicht so ab, wie wir auch sonst unser Leben organisieren?


Der Bundesrat hat diesen Sommer entschieden, dass die Versuchsphase bald beendet und E-Voting in den ordentlichen Betrieb überführt werden soll. Das entsprechende Vernehmlassungsverfahren steht vor der Tür. Zahlreiche Gegnerinnen und Gegner äussern Bedenken im Bereich der Sicherheit. Mehrere politische Vorstösse gegen E-Voting wurden hervorgebracht. Doch die digitale Zukunft lässt sich nicht umgehen. Die Frage lautet nicht, ob wir E-Voting in der Schweiz einführen werden, sondern wann.


Der Bund und die Kantone sind bereit. Seit mittlerweile mehr als 15 Jahren sammeln sie Erfahrungen mit E-Voting. Über 200 erfolgreiche Versuche haben stattgefunden. Eines ist klar, nichts auf dieser Welt ist jemals hundert Prozent sicher. Aber die Systeme, die wir in der Schweiz für die Abstimmung haben, gehören zu den Sichersten. Sie sind sogar sicherer als E-Banking.


Als die briefliche Stimmabgabe vor 40 Jahren in der Schweiz eingeführt wurde, gab es im Vorfeld eine ebenso heftige Debatte um die ungenügende Sicherheit. Die Gefahr, dass die Stimme auf dem Weg vom Briefkasten in die Urne manipuliert werden kann, besteht bei E-Voting jedenfalls nicht. Im Unterschied zur Abstimmung auf Papier erkennen die E-Voting-Systeme sofort, ob manipuliert wurde.


In Glarus hat im vergangenen Jahr die Landsgemeinde abgestimmt, dass E-Voting eingeführt werden soll. Bereits bei den Nationalratswahlen 2019 soll E-Voting die briefliche und persönliche Abstimmungsmöglichkeit ergänzen. Letzte Woche hat der Bundesrat dem Gesuch des Kantons Waadt stattgegeben, E-Voting-Versuche für Auslandschweizerinnen und -schweizer durchzuführen. Und auch der Kanton Graubünden, der sich noch bis in die 1920er Jahre gegen die motorisierte Fortbewegung wehrte, hat sich letzte Woche für das E-Voting-System der Schweizerischen Post entschieden.


E-Voting macht den Abstimmungsprozess für viele zwar bequemer und attraktiver. Aber die neue Abstimmungsmöglichkeit allein reicht nicht aus, um die Demokratie zu digitalisieren. Noch ist weiterhin geplant, dass auch bei E-Voting die Stimmberechtigten per Post ein Couvert mit dem Abstimmungsbüchlein erhalten, zusammen mit den Codes für die individuelle Verifizierbarkeit. Die Digitalisierung in der Politik bringt jedoch viel mehr mit sich als die rein technische Möglichkeit zum Ja oder Nein stimmen.


Wenn Informationen im besten Fall in einem PDF-Dokument aufgeschaltet sind, reicht das der digitalen Generation längst nicht mehr. Für sie gehört es zum Alltag, sich online auszutauschen, mit Instagram einen Einblick in ihr Leben zu verschaffen, auf Twitter zu debattieren, ihre Ansichten in Blogs zu veröffentlichen, sich in Facebook-Gruppen austauschen oder für alles Mögliche Apps zu nutzen. Sie sind stets und überall auf verschiedenen Geräten erreichbar. Einen Unterschied zu machen zwischen off- und online erscheint sinnlos.


Hier besteht ein enormes Potenzial für den politischen Dialog. Wenn die Behördenkommunikation sowie die politischen Akteurinnen und Akteure die digitale Generation erreichen wollen, müssen sie sich dem Wandel der Zeit und den neuen Bedürfnissen anpassen. Inhalte müssen Smartphone-tauglich erarbeitet sein, wenn sie zu den jüngeren Stimmbürgerinnen und Stimmbürger gelangen sollen. Das heisst, in die digitale Kommunikation und deren neuen Möglichkeiten zu investieren. Nur so kann das Potenzial des politischen Online-Dialogs voll ausgeschöpft werden.

Veröffentlicht am 05. Oktober 2018 von Martin Arnold
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