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Eine Reise wie im Film


Namibia. Das sind «The Lion King», «Star Wars», «The Lord of the Rings» und «Out of Africa» in einem einzigen Roadmovie. Nur viel intensiver!

Dünenspaziergang im Sossusvlei in der Namib. Bild: Christian Weber

Reisen war auch schon mal einfacher. Alles war bereits vor einem Jahr geplant, da fielen die Namibiaferien im Herbst 2020 Covid zum Opfer. Aber was ein echter Globetrotter ist (und da muss ich dem gleichnamigen Reisebüro ein Kränzchen winden), der gibt so schnell nicht auf. So fanden wir im Spätsommer 2021 einen Weg über Frankfurt, gespickt mit Impfausweisen, PCR-Zertifikaten, Versicherungsnachweisen und schampar vielen Formularen zum Ausfüllen.


Wir landen gemütlich auf dem Windhoek International Airport, und als wären es noch die 1980er-Jahre, läuft man über das Rollfeld zu Fuss zum Terminal. Erster Eindruck: Es ist kühl im Frühling auf der Südhalbkugel, und wir sind der einzige Flug, der gerade abgefertigt wird, vielleicht wegen Corona oder weil das hier eh immer so ist an einem Samstagvormittag.


Selbst ist der Fahrer

Jedenfalls fasst man als Selbstfahrer dann einen dieser grossen Geländewagen, erhält einen Crashkurs im Radwechseln (kann man dann sicher anwenden) und einen im Langsamfahren (bleibt einem nicht viel anderes übrig). Die Pisten sind meist ungeteert und holperig, die Distanzen gross, die Verkehrsunfälle am höchsten in ganz Afrika und der Handyempfang mehr als spärlich. Für die knapp 3000 Kilometer einer klassischen kleinen Rundfahrt hinunter zu den berühmten Sanddünen von Sossusvlei, dann über Swakopmund am Meer hinauf zum Etosha-Nationalpark und wieder zurück braucht man zwei Wochen. Wer noch Abstecher zu den Victoriafällen oder in den Süden zum Fish River Canyon machen will, kommt unter drei Wochen nicht hin. Das Land ist zweieinhalb Mal so gross wie Deutschland, dafür hat es aber auch nur ein Drittel der Einwohner der Schweiz. Ergo ist da viel steppenartiges Nichts zwischen den Sehenswürdigkeiten zu überwinden. Jetzt aber nichts wie los!


Stelldichein am Wasserloch im Etosha-Nationalpark


Pumpernickel und Guavensaft

Erster Stopp ist auf der Büllsport-Gästefarm in den Naukluft-Bergen, wo wir das erste Mal namibisch-deutscher Gastfreundschaft begegnen. Ernst Sauber ist gebürtiger Namibier, und Johanna stammt aus  der Nähe von Frankfurt. Sie betreiben seit dreissig Jahren Rinder- und Pferdezucht und verwöhnen uns mit Pumpernickel und Guavensaft – umtanzt von den fünf quirligen Hunden Joey, Spark, Baloo, Sisi und Pebbles.

Am nächsten Tag steht das wohl berühmteste Fotosujet Namibias auf dem Kletterprogramm: Die Sanddünen von Sossusvlei in der Namib gehören mit bis zu 380 Metern zu den grössten der Welt. Bei Sonnenauf- und untergang verwandelt sich die Kulisse in ein oranges Farbenmeer. Am schönsten ist der schon fast schwerelose Abstieg durch den fünf Millionen Jahre alten Sand. Da fühlt man sich etwa so ausserirdisch wie der junge Skywalker auf dem Wüstenplaneten Tatooine in «Star Wars».


Der beste Apfelkuchen

Auf dem Weg zum nächsten Ziel ist ein Halt in Solitaire Pflicht. Die Kleinstsiedlung im Nirgendwo besteht seit 1848 und umfasst im Wesentlichen eine Tankstelle, einen Laden, eine Kapelle, eine Bäckerei – und ein Flugfeld. Denn der Apfelkuchen ist dermassen berühmt (und lecker!), dass man das Ziel gern extra für Kaffee und Kuchen anfliegt.

Einen weiteren Zacken legt die Landschaft zu, als wir in den Naukluft-Bergen die Rostock Ritz Desert Lodge ansteuern. Die Lodge rühmt sich, den Pool mit der spektakulärsten Aussicht im südlichen Afrika zu bieten. Das hat was, aber noch viel magischer wird es, wenn sich das Abendrot über die wild zerklüftete Schieferwüstenlandschaft legt. Dann beschleicht einen das Gefühl, man sei Frodo in «The Lord of the Rings» auf dem Weg nach Mordor. Auch hier ist tierisch was los, denn am Empfang des Rostock Ritz steht neben Yvonne auch Hund Hector zur Gästebetreuung bereit. Und wie kommt das norddeutsche Rostock nach Afrika? Gar nicht. Der wegen seiner Farbe Rotstock genannte Berg auf dem Gelände hat in den 1960er-Jahren bei einer Landzusammenlegung schlicht ein «t» verloren.


Rostock Ritz Desert Lodge: ausserirdisch (links)

Yvonne Schultz und Hector in der Rostock Ritz Desert Lodge (mitte)

Felsbilder aus der Steinzeit in Twyfelfontein (rechts)


Deutscheste Stadt in Afrika

Swakopmund am Atlantik ist mit Sicherheit die deutscheste Stadt in Afrika.  Das  Café  Anton  im Hotel Schweizerhaus an der Bismarckstrasse könnte problemlos in jedem Provinzstädtchen zwischen Bodensee und Nordsee stehen. Es serviert Schwarzwälder Kirschtorte und Bienenstich, und der Papagei über dem Empfang heisst Ulrike. Es hat aber auch das «Brauhaus», das «Altstadt» und den «Fachwerk Biergarten», die neben einheimischem Oryx und Springbock auch Grillhaxe und Kassler mit Sauerkraut im Angebot führen. Und es versteht sich, dazu gibt es Windhoek Lager vom Fass. Das interessiert uns kulinarisch jetzt weniger, denn der Fisch im «The Tug» ist fangfrisch, und die Austern direkt aus dem Atlantik sind ein Traum.


Koloniales Erbe

Der Einfluss aus der Zeit von 1884 bis 1915, als Deutsch- Südwestafrika eine deutsche Kolonie war, ist auch im heutigen Namibia noch überall sichtbar. Und die Aufarbeitung der teils unrühmlichen Epoche ist nach wie vor im Gang. Erst im Mai dieses Jahres hat Deutschland den an den Volksgruppen der Herero und der Nama zwischen 1904 und 1908 begangenen Völkermord offiziell anerkannt.

Nach Swakopmund kommt man aber weniger wegen der Geschichte, sondern wegen der Aktivitäten. Wir entscheiden uns für einen Rundflug entlang der Skeleton Coast. Unser südafrikanischer Pilot Lardi ist so rotblond und verschmitzt-verwegen wie Robert Redford als Denys Finch Hatton in «Out of Africa» und fliegt seine Cessna auch etwa so flott wie Denys Finch Hatton seinen Doppeldecker. Der Effekt beim Überfliegen der Dünen, Salinen, Flamingos und Robben ist grandios, und südlich der Walfischbucht entdecken wir tatsächlich einen Wal, leider einen gestrandeten.


Ein Abstecher in die Steinzeit

Die nächste Etappe führt uns ins Damaraland nach Twyfelfontein zu den Bergelefanten und den Felsbildern der Jäger und Sammler aus der Steinzeit. Neben Tierdarstellungen findet sich hier auch eine in den Felsen geritzte Jagdkarte, auf der die damaligen Wasserlöcher und die jeweils anzutreffenden Tiere abgebildet sind. Die einstigen Wasserstellen sind heute fast ausnahmslos ausgetrocknet.

Sehr trocken ist es auch in Uis, einer Bergwerkssiedlung in der Nähe des Brandberges, die 1911 gegründet wurde, als grössere Zinnvorkommen in der Umgebung gefunden wurden. Hier machen wir Rast im charmanten «Cactus & Coffee Teagarden» und treffen Monty van der Smit, der in «The Lord of the Rings» glatt als Gandalf der Graue hätte durchgehen können. Aber in echt ist er Mineralienhändler, der auch schon selbst nach Amethysten in der Umgebung geschürft hat.


Tiere wie aus dem Bilderbuch

So, und jetzt ab zu den vielen Tieren im Etosha-Nationalpark! Wir werden dabei begleitet von Zazu, dem Rotschnabeltoko aus «The Lion King», der hier etwa so verbreitet ist wie bei uns die Amsel. Und tatsächlich sehen wir Löwen, Elefanten, Nashörner, Zebras, Giraffen, Antilopen, Gnus, Springböcke, Oryxe, Paviane, Schakale, Hyänen, Warzenschweine, Strausse, Geier und viele weitere Vögel, die wir nicht einmal mit unserem Vogelbilderbuch zuordnen können.


Auf Leopardenpirsch

Zum Schluss darf ein Besuch der Leoparden und Geparde im Wildtierreservat der Okonjima AfriCat Foundation nicht fehlen. Hier wird versucht, den bedrohten Raubkatzen auf 200 Quadratkilometern einen natürlichen Lebensraum zu bieten. Denn ähnlich wie die Wölfe in den Alpen sind die Grosskatzen bei den einheimischen Farmern nicht gerade beliebt. Wir werden von Ranger Opari auf Pirsch mitgenommen und haben das unglaubliche Glück, Leoparden bei der Paarung in freier Wildbahn zu beobachten. Bei Löwengebrüll aus der Ferne gibts dann noch eine Führung durch das Tierspital. Wenn jetzt noch der Tierarzt Dr. Marsh Tracy mit dem Affen Judy aus «Daktari» um die Ecke käme, wir wären keinesfalls überrascht. Denn so eine Reise ist ja wie im Film!


Der Reisebericht von Christian Weber ist im Dezember 2021 in der Mitarbeiterzeitschrift von CPH erschienen.
Veröffentlicht am 14. Dezember 2021
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