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Vom Erlebnisbericht zur Erfolgsgeschichte: die Reportage


Wie fesselt man seine Leserschaft? Unsere Texterin Pamela zeigt es Ihnen in ihrer Blogreihe «Fünf Textsorten - fünf Wege zum Erfolg». Heute: die Reportage.

Texterin Pamela Schefer nimmt in ihrer Blogreihe fünf Textsorten unter die Lupe.

Auch wenn die Fallzahlen momentan wieder steigen: Wir saugen die geselligen Abende im Restaurant, die beflügelnden Konzertbesuche und die Gartenfeiern bei Freunden auf wie ein trockener Schwamm. Lange haben wir uns nach solchen Erlebnissen ausserhalb unserer vier Wände gesehnt. Lange waren Fernseher, Computer und Mobiltelefon unser einziges Fenster zur Aussenwelt. Gerade in dieser Zeit waren Reportagen besonders beliebt. Sie entführten uns an Orte, die wir selbst gerade nicht besuchen konnten. Sie lassen die Leserschaft hautnah miterleben, wie sich ein Pfleger um seine Corona-Patienten kümmert, wie es in einem Impfzentrum zu und her geht oder wie sich ein Tauchlehrer am menschenleeren Strand von Thailand über Wasser hält. Reportagen lassen uns den Schweiss unter der Schutzkleidung des Pflegers spüren, lassen uns ein Geplänkel zwischen einem Zivilschützer und einer älteren Impfwilligen belauschen und machen uns zu Zeugen von bitteren Tränen, die der Tauchlehrer beim Verkauf seines Bootes im Versteckten weint.


Nichts dem Zufall überlassen

Die Reportage ist zwar ein informativer Text, der auf Fakten baut, soll aber auch subjektive Wahrnehmungen des Autors enthalten. Damit der Erlebnisbericht zur Erfolgsgeschichte wird, braucht es eine gründliche Vorbereitung. Soll zum Beispiel ein Restaurant-Inhaber im Zentrum stehen, der aufgrund des Lockdowns mit Existenzängsten zu kämpfen hat, muss man sich die Frage stellen, ob ein Gang durch ein leeres Lokal genug hergibt. Natürlich ist es symbolträchtig, wenn eine dicke Staubschicht auf den Tischen liegt und der Besitzer wehmütig über die leeren Töpfe streicht. Doch spannend wird die Reportage erst, wenn er seine Rechnungen hervorholt, die er nicht bezahlen kann, oder wenn sich ein Kunde mit dem Besitzer über alte Zeiten unterhält. Solche Szenen sollten nicht dem Zufall überlassen werden. Bestenfalls fragt man den Restaurant-Inhaber bereits im Vorgespräch nach offenen Rechnungen und inszeniert eine Begegnung mit einem Stammgast. Beim Besuch des Lokals müssen schliesslich alle Sinne des Autors geschärft sein: Wie sieht das Lokal aus? Welche Geräusche nimmt er wahr? Riecht es abgestanden?


Der Spannungsbogen

Der Einstig in die Reportage soll die Neugierde des Lesers wecken, zum Beispiel mit einem Zitat: «‹Diese Stille bricht mir das Herz›, seufzt Max, Inhaber des Restaurants ‹Zum goldenen Esel›». Oder mit einer bestimmten Szene: «Max betritt das leere Lokal und lässt die Schultern sacken. Er lässt seinen Blick über die Stühle schweifen, die mit der Sitzfläche nach unten auf den Tischen thronen, und versucht, mit dem Klirren seiner Schlüssel die unangenehme Stille zu übertönen.» Im Kern der Reportage werden die Hintergründe und Fakten rund um das Thema dargelegt. Wie vielen Restaurant-Besitzern geht es ähnlich wie Max? Mit welcher Unterstützung können sie rechnen? Beendet wird eine Reportage häufig mit einem Fazit des Autors, einem Ausblick in die Zukunft oder einem Bezug zum Anfang des Textes: «Als Max aus der Stille des Lokals tritt, prasseln die Geräusche des Verkehrs auf ihn ein. Er dreht den Schlüssel im Türschloss, lässt ihn in der Gesässtasche verschwinden und strafft seine Schultern. Sie ist immer noch da, die Zuversicht, dass das Leben bald in sein Restaurant zurückkehren wird.»

Veröffentlicht am 24. August 2021 von Pamela Schefer
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